Ein Suhler fertigt die Waffen für die Deutschen Biathleten

Seit fast 25 Jahren ist Büchsenmacher Sandro Brislinger für die Waffen und die Munition der deutschen Biathleten verantwortlich. Der Suhler fertigt Einzelstücke an, passgenau auf jeden Sportler. Damit gilt er als ein Mosaikstein des Erfolgs, den das Team seit Jahrzehnten einfährt und auch bei der Weltmeisterschaft im schwedischen Östersund bestätigen will.

„Für unser Waffengenie“, hat Olympiasieger Arnd Pfeiffer geschrieben. Laura Dahlmeier bedankt sich für die professionelle Tüftelei, die Liebe zum Detail und die coole Zusammenarbeit. Es sind nur zwei von zahlreichen Autogrammkarten, die die Werkstatt von Sandro Brislinger zieren. „Das bedeutet mir viel. Viel mehr als ein paar Euro in die Kaffeekasse oder eine Kiste Bier“, sagt er. Und die besten Biathleten Deutschlands wissen: seine Arbeit ist ein Garant für ihren Erfolg.

Seit beinahe einem Vierteljahrhundert ist Sandro Brislinger der Waffen- und Munitionstechniker der deutschen Biathlon-Nationalmannschaft. Eine Stelle, die es nur einmal in der Bundesrepublik gibt. „Biathlon ist kein Breitensport, es gibt 5000 Biathleten weltweit. Für eine Waffenfirma lohnt es sich überhaupt nicht, in diesem Bereich zu investieren“, sagt der Suhler. Die Firma Anschütz stellt zwar ein Standardgewehr her, doch insbesondere im Weltcup-Zirkus braucht es mehr. Per Handarbeit wird es auf jeden Athleten angepasst, auf die Finger, die Armlänge, die Körpergröße. „Ein Gewehr passt nur einem einzigen Athleten“, weiß Brislinger.

Bis aus einem Block türkisches Walnussholz eine fertige Waffe wird, dauert es 80 bis 120 Stunden. „Das Holz wurde lange gelagert und ist extrem trocken, ansonsten würde es sich beim Bearbeiten verziehen. Perfektes Kaminholz also“, sagt Brislinger und lacht. Stück für Stück fräst er aus dem Holz die Gewehrform, später kommen der Lauf hinzu, in dem die Munition Richtung Scheiben schießt, und andere Details. Am Ende muss es mindestens 3,5 Kilogramm schwer sein, das schreibt das Reglement der Internationalen Biathlon-Union vor. „Umso leichter es ist, umso schwieriger lässt es sich schießen“, weiß Brislinger. Er schwört auf Holz, obwohl oder gerade weil er auch schon mit Karbon experimentiert hat. „Aber das verhält sich beim Schießen komisch“, sagt er.

Gemeinsam mit Fischer, Luck und Kirchner an den Waffen getüftelt
Dass der 44-Jährige die Waffen der Biathleten baut und damit ein Teil des Sportsystems ist, hat er einem Zufall zu verdanken. 1991 begann er eine Ausbildung zum Büchsenmacher in Suhl. „Mein Vater war schon Büchsenmacher und ich wollte das auch. Ich war handwerklich begabt und es ist ein interessanter Beruf“, sagt er. Sein Ziel war es, später Jagdwaffen zu bauen. Doch nach der Ausbildung rief die Wehrpflicht. „Ich sage es ganz ehrlich: ich wollte nicht zur Armee und bin mit dem Ziel angetreten, nach zwölf Monaten wieder weg zu sein“, erinnert sich der Suhler.

Es kam anders. In der Kaserne am Grenzadler lernte er die Biathleten Sven Fischer, Mark Kirchner und Frank Luck kennen und schätzen. Gemeinsam tüftelten die Männer an den Waffen. Aus zwölf Monaten wurden vier Jahre, aus vier Jahren eine Stelle als Berufssoldat. „Mir war wichtig, eine Perspektive zu haben und nicht wie ein Sportler von Jahr zu Jahr denken zu müssen“, sagt der Stabsfeldwebel. Angeboten aus dem Ausland hielt er in all den Jahren Stand, auch wenn ihm nicht wenig Geld geboten wurde. „Einen Beamtenstatus gibt man nicht leichtfertig auf“, sagt er.

Heute ist er Tüftler durch und durch. „Jeder Sportler möchte gut sein und sich weiterentwickeln. Sie investieren viel in die Arbeit mit mir. Etwas Schöneres gibt es doch nicht“, sagt der 44-Jährige. Er arbeitet in erster Linie für den A-Kader, hin und wieder aber auch mit dem Nachwuchs. „Zwei bis drei Junioren, die von den Trainern als Talente angesehen werden, kommen im Frühjahr zu mir. Sie dürfen aber nicht zu jung sein. Denn wenn sie wachsen, wäre wieder ein neues Gewehr fällig“, sagt er.

Überhaupt sind der April, Mai und Juni die intensivste Zeit für Brislinger. „Wenn die Athleten aus dem Urlaub kommen, geht die Arbeit so richtig los. So haben sie noch genug Zeit, um sich vor dem Saisonstart an ihr neues Gewehr gewöhnen zu können“, sagt er. Erst, wenn sie vollends mit ihrem Arbeitsgerät zufrieden sind, ist auch er zufrieden: „Sie sollen keine Kompromisse machen müssen, wenn sie hier raus gehen.“

Im Winter ist Brislinger vor allem für kleine Korrekturen und Reparaturen zuständig, wie nach dem Weltcup in Oberhof Anfang des Jahres, als zahlreiche Sportler stürzten und die Waffen zu Bruch gingen. In diesem Fall hilft er auch ausländischen Biathleten. „Ich repariere ihre Waffen, aber verbessere sie nicht“, betont er. Die größte Gefahr für die Waffen seien mittlerweile sowieso nicht mehr die Stürze, auch weil die Strecken immer wieder entschärft werden, sondern die Reisen von Weltcup zu Weltcup. „Wenn sie im Koffer aufgegeben werden und das Gepäck verladen wird, habe ich mehr Angst, als wenn die Biathleten mit dem Gewehr auf dem Rücken laufen.“

Bis 2004 begleitete der Suhler die Biathleten um die Welt. Heute arbeitet er vorwiegend in seiner Werkstatt in der Oberhofer Kaserne. „Ich brauche meine Maschinen“, begründet er. Und abgesehen von den Weltcups in Übersee und Russland könnten die kaputten Waffen innerhalb von 24 Stunden geliefert, über Nacht repariert und wieder zurück zum Weltcup-Ort geschickt werden.

In den nächsten Tagen schielt Brislinger vor allem nach Östersund, wo vom 7. bis 17. März die WM stattfindet. Dort sollen im Idealfall neue Titel folgen, die sich die Biathleten dann auf ihre Autogrammkarten drucken können. Ein Stückweit wäre das auch Sandro Brislingers Verdienst. „Das Material muss stimmen. Und die Waffe ist ein Mosaikstein“, sagt er.
            
                                            Susann Eberlein

Sandro Brislinger fertigt die Waffen für die Deutschen Biathleten an. Foto: Susann Eberlein


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