Sie balancieren und werfen, klettern und hüpfen, laufen und springen, schlagen Purzelbäume, probieren sich in einem kleinen Parcours aus oder treten in kleinen Staffelspielen an. „Es geht nicht darum, den nächsten Superstar im Wintersport zu finden. Stattdessen sollen die Kinder vor allem Spaß am Sport und an der Bewegung haben. Das ist das allerwichtigste“, betont Kati Wilhelm die seit 2024 Mitglied in der „Hall of Fame des deutschen Sports“ ist.
Seit über einem Jahr ist die ehemalige und sehr beliebte Biathletin als Bewegungscoach im Kindersport aktiv, ist lizenzierte Übungsleiterin C. An vier Vormittagen in der Woche bringt sie den Nachwuchs der Kindertagesstätten aus Bermbach, Herges-Hallenberg, Steinbach-Hallenberg, Oberschönau und Rotterode ins Schwitzen. „Ich schule ihre Koordination und Kondition und trainiere die Geschicklichkeit spielerisch. Die Kinder werden gefordert und gefördert, was sehr wichtig ist für ihre Entwicklung, vor allem wenn ihnen vom Elternhaus nicht ganz so viel zugetraut wird oder sie in Watte gepackt werden“, erklärt Kati Wilhelm. Ihr Glücksmoment? „Wenn ein Kind eine Übung geschafft hat, dass es sich anfangs nicht getraut hat, und danach glücklich und stolz auf sich ist. Und wenn sich die Kinder auf mich freuen, mich umarmen. Das ist Motivation pur.“
16 Coaches in Kindergärten und Schulen
Im Jahr 2022 startete in Thüringen das Projekt der Bewegungscoachs, entstanden im Rahmen des damaligen Corona-Landesaktionsprogramms „Stärken - Unterstützen - Abholen“, um die Kids nach den Einschränkungen der Pandemie wieder zum Sport zu bringen. Das damalige Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport übernahm zu einem großen Teil die Personalkosten, der Landessportbund und die Thüringer Sportjugend verantworten die Koordinierung. Seit diesem Sommer steuern die Vereine einen Eigenanteil von 20 Prozent dazu. Das Projekt gibt Sportvereinen und Sportfachverbänden die Möglichkeit, Übungsleiter*innen als Coaches in Voll- oder Teilzeit anzustellen. Diese setzen, oft in Kooperation mit Schulen, Kindergärten, aber auch den Eltern und Lehrkräften und weiteren am Bildungsprozess beteiligten Personen, ein umfassendes sportliches Angebot um, um Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren für Aktivitäten im Verein zu aktivieren. Kati Wilhelm ist seit fast einem Jahr offiziell „Bewegungscoach für Thüringen“. Doch wie kam es dazu, dass sie sich trotz ihres vollen Kalenders in ihrem Sportverein für den Nachwuchs an der Basis engagiert?
Glücksgefühle und Herzensangelegenheit
Das Projekt ist der ehemaligen Ausnahmesportlerin ein Herzensanliegen. „In vielen Familien spielt Sport nur noch eine untergeordnete Rolle. Deswegen müssen Kindergärten und Schulen Orte sein, an denen sich die Kinder ausprobieren können. Und es wird gerne angenommen“, sagt sie. Auch könne das Projekt helfen, dem Bewegungsmangel entgegenzuwirken, der nicht zuletzt auch ein Ergebnis der Corona-Pandemie ist, in der der Schulsport ausgefallen ist und das Vereinsleben lange Zeit stillstand. „Der Sport fällt als erstes hinten runter, wenn nicht genügend Personal oder auch Platz vorhanden ist. Im Kindergarten meines Sohnes wurde der Sportraum damals aus Kapazitätsgründen zu einem Gruppenraum umgewandelt. Das ist eine falsche Entwicklung“, sagt Kati Wilhelm.
Werbung für den Vereinssport
Seit dem Start setzen sich Politik und Landessportbund gemeinsam für die Verstetigung des Projekts ein. „Wir brauchen es langfristig. Thüringen ist hier ein Vorreiter. Das dürfen wir uns nicht aus der Hand nehmen lassen“, fordert sie. Immerhin helfe das Projekt auch dabei, Werbung für den Vereinssport zu machen und mit den Eltern in Kontakt zu treten. „Sie müssen dahinter stehen“, so die Thüringerin.
Um ihre Einheiten in der Turnhalle in Steinbach-Hallenberg abwechslungsreich zu gestalten, tauscht sie sich regelmäßig mit den anderen Bewegungcoaches aus, besucht Fortbildungen, stöbert aber auch im Internet. „Der Basketballverein Alba Berlin hat tolle Ideen für Kinder, die ich gerne aufgreife und etwas anpasse. Ansonsten ist die eigene Kreativität gefragt. Mein Anspruch ist es, nicht immer das Gleiche zu machen, sondern die Kinder zu überraschen“, sagt sie.
Die Übungen, die sie als Leistungssportlerin absolvieren musste und heute als Trainerin dem Wintersportnachwuchs an die Hand gibt, könne sie nur bedingt einbauen. „Das spezifische Training hilft bei diesem Job eher weniger. Es geht vielmehr um Grundlagen, auf denen die Vereine aufbauen können. So profitiert auch unser Fußballverein von meiner Arbeit.“ Am meisten aber profitieren die Kinder von ihrer Leidenschaft für den Nachwuchssport.
Susann Eberlein