Engagement am Limit? Die Zukunft des Ehrenamts im Sport

Sportvereine leben vom Ehrenamt - doch es bröckelt. Immer weniger Menschen engagieren sich langfristig. Bürokratie, Zeitdruck und fehlende Wertschätzung sind zentrale Probleme und erfordern neue Lösungen. Diese Aussagen unterstreichen die Zahlen des aktuellen bundesweiten Sportentwicklungsberichts. Die gute Nachricht: Weit mehr als acht Millionen Menschen engagieren sich freiwillig oder ehrenamtlich in Deutschlands 86.000 Sportvereinen. Davon rund zwei Millionen ehrenamtlich, also zum Beispiel als Vorstand oder als Trainerin im Verein. 6,3 Millionen Menschen sind freiwillig tätig, also kurzfristig, projektbezogen, zum Beispiel als Aushilfe bei einem Vereinsfest. 

Das ist ein Spitzenwert. Zumindest im Vergleich zu anderen Bereichen wie Kultur und Musik, dem sozialen Bereich, der Kirche oder dem Umweltschutz. Nirgendwo anders engagieren sich so viele Menschen in ihrer Freizeit wie beim Sport. Aber: Diese Zahlen sind bereits jetzt zu niedrig. Und sie sinken. Innerhalb von fünf Jahren musste der Sport einen Verlust von rund einer Million Engagierten hinnehmen.

Auch die Zahlen des aktuellen Sportentwicklungsberichts, Auftraggeber ist das Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Zusammenarbeit mit dem DOSB sowie den 16 Landessportverbänden, spiegeln dies wider. Befragt nach ihren aktuellen Problemen, nannten in der repräsentativen Umfrage  fast 60 Prozent der Vereine die Gewinnung und Bindung von ehrenamtlichen Funktionsträger*innen als ihre derzeit größte Sorge. 17,6 Prozent der Vereine gehen noch einen Schritt weiter und sagen, dass der Mangel an Ehrenamt sie in ihrer Existenz bedroht. Das Problem ist also ernst – auch im Thüringer Sport.

In Thüringer Sportvereinen engagieren sich den Zahlen des aktuellen Sportberichtes nach rund 60.000 Mitglieder in ehrenamtlichen Positionen (Vorstandsmitglieder, Abteilungsvorstände, Trainer*innen und Übungsleiter*innen, Schieds- und Kampfrichter*innen). Dazu kommen ca. 120.000 freiwillige Helfer*innen bei entsprechenden Einsätzen oder Veranstaltungen im Verein. Dies ergibt eine Gesamtzahl von bis zu 180.000 ehrenamtlich und freiwillig Engagierten in den Sportvereinen in Thüringen. Zugleich stellt die Bindung und Gewinnung von Ehrenamtlichen auf allen Ebenen weiterhin das größte Problem dar – vor allem was den Bereich Kampfrichter*innen und Schiedsrichter*innen betrifft (27 Prozent der Vereine Einstufung als sehr großes Problem), gefolgt von ehrenamtlichen Funktionsträger*innen (26 Prozent) und Übungsleiter*innen (22 Prozent). 15 Prozent der Thüringer Vereine gaben im Sportentwicklungsbericht sogar an, sich in ihrer Existenz bedroht zu fühlen aufgrund erfolgloser Suche nach ehrenamtlichen Funktionsträger*innen.

Woran hapert es?

Laut DOSB haben die Menschen kein Motivationsproblem, wenn es um das ehrenamtliche Engagement geht. Menschen sind bereit, sich einzubringen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und die Aufgaben zu ihrer Lebenssituation passen. Vielmehr liegt ein Strukturproblem vor. Vereine und ehrenamtlich Engagierte beklagen zu Recht die hohe Last an Vorgaben und Bürokratie, die sie zu bewältigen haben. Wer sich in einem Sportverein engagiert, der möchte sich um den Sport kümmern und darum, dass der Verein läuft, dass Mitglieder gut betreut und Angebote weiterentwickelt werden. Und nicht um Anträge und die Einhaltung von Vorschriften.

Wie geht es wieder bergauf?

Durch gezielte Maßnahmen, die das Ehrenamt auf der einen Seite entlasten und auf der anderen Seite mehr Wertschätzung für diese wichtige Arbeit zeigen. Mit dem Steueränderungsgesetz 2025 hat die Bundesregierung den Aufschlag zum Bürokratieabbau eingeläutet. Mit dem geplanten Gesetz sollen von 2026 an die steuerfreien Pauschalen für Ehrenamt und Trainer*innen steigen und die Freigrenzen für Vereine erhöht werden, so dass nicht jeder eingenommene Cent genau dokumentiert werden muss. Das hilft den ehrenamtlich Engagierten dabei, sich wieder auf das zu konzentrieren, warum sie dieses Amt ausüben: Um Spaß zu haben (95 Prozent), mit Menschen zusammenzukommen (84 Prozent) und die Gesellschaft mitzugestalten (78 Prozent).

Für Vereine, die neue Ehrenamtliche gewinnen möchten, gilt es, diese gezielt anzusprechen. So liegt etwa in der Boomer-Generation, von denen ein Großteil entweder bald in Rente geht oder es bereits ist, großes Potenzial. Denn das sind Menschen mit Zeit, Kompetenz und viel Erfahrung. Sportvereine sollten mit zielgruppengerechter Kommunikation auf diese Menschen zugehen und versuchen, sie für ein Amt im Verein zu begeistern.

Augenmerk sollte aber auch auf die Zielgruppe der 18- bis 34-Jährigen gelegt werden. Ihr Anteil an der Gruppe der Bildungsengagierten ist mit 44 Prozent überproportional hoch. Im Gegensatz dazu steht, dass 46,4 Prozent der Vereine keine Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche anbieten. Dabei steht die frühe Partizipation in engem Zusammenhang mit einer positiven Entwicklung der Zahl ehrenamtlich engagierter Jugendlicher im Verein, deshalb ist es wichtig, überhaupt solche Möglichkeiten zu schaffen. Jüngere Menschen, die durch Beruf und Familie womöglich weniger Freizeit haben, können über kurzfristiges, projektbezogenes Engagement an die Vereinsarbeit herangeführt und somit langsam auf ein längerfristig angelegtes Ehrenamt vorbereitet werden.

Blickt man auf das Alter der ehrenamtlich Engagierten im Thüringer Sport und hierbei insbesondere auf jüngere Personen unter 30 Jahren, so zeigt sich, dass sich junges Engagement im Sportverein insbesondere auf der Ausführungsebene, die Trainer*innen und Übungsleiter*innen sowie Schieds- und Kampfrichter*innen umfasst, findet. Knapp 11 Prozent der auf der Ausführungsebene engagierten Ehrenamtlichen in den Sportvereinen in Thüringen sind jünger als 30 Jahre.

Auch die Qualifizierung von Menschen für ein ehrenamtliches Engagement sollte noch stärker und gezielter gefördert werden - ehrenamtlich Engagierte und Trainer*innen bleiben länger dabei, wenn sie eine entsprechende Qualifizierung über eine DOSB-Lizenz erworben haben.

Bleibt als Fazit: Wenngleich freiwillige Helfer auf Vereinsfesten wichtig sind und auch ihre Arbeit Wertschätzung verdient hat, so sind es doch die langfristig engagierten ehrenamtlichen Vorstände und Trainer*innen, die den größten Beitrag dazu leisten, die Sportvereine am Laufen zu halten und weiterzuentwickeln.

Quelle: DOSB/ LSB

Auch beim Hobby-Horsing-Turnier des Reit- und Fahrvereins Rastenberg in Buttstädt geht nichts ohne Unterstützung durch das Ehrenamt - ein Beispiel von vielen im Thüringer Vereinssport. Foto: Karina Hessland-Wissel


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