„Wir treten auf die Bremse“ - Der LSB Thüringen im Gespräch mit dem 1. SSV Saalfeld

Der LSB-Vorstand sucht regelmäßig das Gespräch mit Thüringen Vereinen. Diesmal trafen Hauptgeschäftsführer Thomas Zirkel und Geschäftsführerin Kerstin König per Webkonferenz auf den Vereinschef vom 1. SSV Saalfeld 92, Oliver Grau sowie dessen Vater Lutz, Gründungsmitglied und inzwischen Ehrenvorstand des Vereins.

Thomas Zirkel: Hallo Familie Grau. Wie macht sich der Sohn als Nachfolger des bisherigen Vereinschefs?

Lutz Grau: Oliver macht das gut und konnte lange Einblick erlangen. Wir haben 2019 im 27. Jahr des Vereinsbestehens einen Generationenwechsel vollzogen. Die Gründungsmitglieder haben sich zurückgezogen, der Vorstand wurde verjüngt. Die bisherigen Vorstandsmitglieder arbeiten aber noch in den Gremien des Ehrenvorstandes und der AG Finanzen mit. Vor dem neuen Vorstand liegen spannende Herausforderungen.

Thomas Zirkel: Welche meinen Sie?

Lutz Grau: Es ist ganz schön viel zu tun im Ehrenamt. Wir haben aktuell 1.496 Mitglieder und gehören zu den größten Sportvereinen Thüringens. Als einziger Verein dieser Größenordnung leisten wir uns kein Hauptamt, keine Geschäftsstelle. Es wird alles ehrenamtlich bewerkstelligt, hauptsächlich durch Schatzmeister Matthias Fritsche und meinen Sohn Oliver, nun 1. Vorstand des Vereins. Dadurch sparen wir viel Geld.

Thomas Zirkel: Wie schafft ein Sportverein dieser Größenordnung das organisatorisch?

Oliver Grau: Wir haben 21 Abteilungen, die auch noch einmal eine eigene Struktur mit Helfern haben. Es gibt aber auch viele Abteilungen mit One-Man-Shows, wo es Abteilungsleiter und Trainer in Personalunion gibt. Vier Mal im Jahr machen wir eine erweiterte Vorstandssitzung mit den Abteilungsleitern. Weiterhin gibt es eine Haupt- und eine Mitgliederversammlung. Die Kommunikation läuft überwiegend über die Versammlungen, E-Mail, Facebook und WhatsApp ab.

Thomas Zirkel: Gerade in der Zeit der Corona-Pandemie mit all ihren dynamischen Änderungen stelle ich mir die Kommunikation mit den Abteilungen nicht einfach vor.

Oliver Grau: Das stimmt. Als die ersten Lockerungen zum Wiedereinstieg in den Trainingsbetrieb im Mai kamen, haben wir eine erweiterte Vorstandssitzung mit Sicherheitsabstand, Infektionsschutzkonzept, Presse und 33 Ehrenamtlichen im Meininger Hof in Saalfeld abgehalten. Für solche Voraussetzungen muss man dann erstmal die passende Location finden. Zum Glück kamen sie uns freundlicherweise mit der Miete für die Vorstandssitzung entgegen. Dort sind dann alle Abteilungsleiter über die zu beachtenden Gegebenheiten in Corona-Zeiten informiert worden.

Thomas Zirkel: Welche Auswirkungen haben Sie durch die Corona-Krise verspürt?

Oliver Grau: Rein finanziell spüren wir es noch nicht, weil die Quartalsbeiträge Ende März abgebucht wurden. Wenn ein Vereinsmitglied für April und Mai im Rahmen der zweiten Quartals-Abbuchung den Beitrag zurückhaben möchte, muss es einen Antrag stellen, dann werden wir das prüfen. Einige Mitglieder wollen dies wohl tun, von der großen Mehrheit verspüren wir aber die Solidarität. Der größte Teil des SSV ist zudem im Fitness-, Reha- und Gesundheitssport aktiv. Diese verursachen überschaubare Kosten. Zudem haben wir in den letzten Monaten keine Wettkampfkosten gehabt, da haben wir Geld gespart. Deshalb überlegen wir, einen kleinen Sportlerball zu veranstalten für diejenigen, die uns die Treue gehalten haben.

Thomas Zirkel: Hatten Sie Mitgliedsaustritte zu verzeichnen?

Oliver Grau: Nicht wirklich. Wir hatten in der Phase des Wiedereinstiegs in den Trainingsbetrieb einen engen Austausch mit der Stadt und dem Landkreis, wo viel Kommunikation und Zuarbeit stattgefunden hat. Wir waren der erste und lange Zeit auch einzige Sportverein, der eine Landkreis-Turnhalle nutzen darf, weil wir ein entsprechendes Infektionsschutzkonzept hatten. Dabei haben wir die DOSB-Leitplanken und den LSB-Handlungsempfehlungen genutzt. Vielen Dank dafür! Wir haben auch Boxen, Handball und Basketball kontaktfrei durchgeführt. Nervig ist, dass der Verein in der Stadt Saalfeld manche Turnhallen nutzen darf, andere wiederum nicht, weil es Landkreis-Turnhallen sind. Das sind schon verrückte Gegebenheiten, mit denen man sich im Ehrenamt dann herumplagt. Das muss man sehr flexibel sein.

Lutz Grau: Das waren große Herausforderungen, wilde Zeiten, aber wir sind da bisher ganz gut durchgekommen. Wir haben rund 20 Veranstaltungen absagen müssen, die letzte durchgeführte Veranstaltung war das Kaderturnier im Boxen in Bad Blankenburg. Den Länderkampf der U15 im Dezember werden wir nicht machen, weil dieser mit internationaler Beteiligung stattfinden würde. Auch das jährliche Feriencamp in Kroatien ist abgesagt. Dadurch haben wir insgesamt weniger ausgegeben. Wir treten auf die Bremse, wollen das Virus erstmal weghaben. Da kann eben im Moment auch mal kein Kindersport gemacht werden und Eltern mit ihren Kinder für Bewegung ersatzweise zum Beispiel in den Wald gehen.

Kerstin König: Bei 1.500 Mitgliedern - wie organisieren Sie Ihre Mitgliederverwaltung?

Oliver Grau: Wir haben in der Vergangenheit zwei verschiedene Vereinsverwaltungsprogramme genutzt, mit denen wir nicht so zufrieden gewesen sind. Seitdem der LSB 2019 mit Intelli einen neuen Partner hat, haben auch wir uns dieses Tool zugelegt und nutzen IntelliVerein für 19,90 Euro im Monat. Das Programm passt, wir fuchsen uns rein. Wir haben aber auch Interesse am Austausch mit anderen Verein, die das Vereinsverwaltungsprogramm ebenfalls nutzen. Das Buchhaltungs-Tool nutzen wir noch nicht, wir testen es noch, um künftig in der Finanzbuchhaltung so gut vorzuarbeiten, dass ein Steuerberater damit gut arbeiten kann. Deshalb wären wir da auch an Fortbildungen interessiert.

Kerstin König: Wir versuchen in naher Zukunft eins, zwei Online-Seminare mit InterConnect, dem Hersteller der Software, anzubieten. Wie sehen Sie sich als Verein sonst finanziell aufgestellt?

Oliver Grau: Wir sind froh, dass wir uns als Verein bisher finanziell solange so gut einordnen konnten. Wir haben im vergangenen Jahr rund 18.000 Euro an Betriebskostenbeteiligung an die Stadt bezahlt. Das fanden wir natürlich nicht so gut. Hier sind wir gespannt, wie es mit dem Sportfördergesetz weitergeht? Was passiert in eins, zwei, drei Jahren damit? Und versuchen die Kommunen künftig das Geld anders einzunehmen?

Thomas Zirkel: Wir haben erst kürzlich mit dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport über die Rechtsverordnung gesprochen. Eine mögliche Betriebskostenumlage durch die Kommunen ist nicht Sinn und Zweck des Sportfördergesetzes und damit aus unserer Sicht auch nicht zulässig. Wir haben im Gespräch mit dem Ministerium definiert, was alles unter Entgelt beim Begriff der unentgeltlichen Nutzung fällt. Bei Sportkursen gegen Entgelt wird es auch zukünftig Ausnahmen bei der unentgeltlichen Nutzung der Sportstätten geben.

Oliver Grau: Wir werden wohl erst in den nächsten Jahren in der Praxis damit umzugehen lernen…

Thomas Zirkel: Meist klären sich gewisse Situationen im Rahmen der Kommunikation. Es gibt ja auch eine finanzielle Rückerstattung in Höhe von fünf Millionen Euro für die Kommunen anhand des Bevölkerungsanteils in den Landkreisen als Kompensation. 70 Prozent davon gehen an kreisangehörige Gemeinden und werden dann je nach organisierten Vereinsmitgliedern in den jeweiligen Gemeinden aufgeteilt. Das ist ein wichtiger Schritt. Die Veröffentlichung hierzu soll auch transparent erfolgen, da es sich um Steuergelder handelt.

Thomas Zirkel: Wir überlegen aktuell, Übungsleiter- und Trainerlizenzen unterschiedlich hoch entsprechend ihrer Stufe zu fördern. Die B- und A-Lizenz könnte demnach künftig höher als die C-Lizenz gefördert werden. Was halten Sie davon?

Lutz Grau: Der finanzielle Anreiz ist zu begrüßen. Ich finde aber, dass man grundsätzlich mal über den Aufbau der Lizenzen nachdenken müsste. Wir brauchen mehr Flexibilität in den Bausteinen der Lehreinheiten. Manchen Interessierten fehlt aufgrund des Zeitaufwandes oft die sportliche Perspektive. Für manche sind tiefergehende Inhalte der Sportwissenschaft, Pädagogik und Psychologie wichtiger als der Grundlagenlehrgang. Der ist teilweise zu allgemein und deshalb aus meiner Sicht für manche Interessierte überflüssig. Grundsätzlich legen wir aber viel Wert auf Qualifizierung. Von unseren über 100 Übungsleitern haben 76 eine Lizenz. Wir übernehmen die Kosten für die Ausbildung und legen Wert auf Qualität. Deshalb haben wir auch so viele Mitglieder, weil sie sich bei uns im Verein wohl fühlen und wir gute Leute als Übungsleiter haben. Wir organisieren jährlich Ehrenamtstreffen und fördern dabei aktiv den Austausch von Abteilungen, damit die Basketballer auch die Turner kennenlernen. Damit und mit der Sportlergala bringen wir die Mitglieder zusammen. So rückt der Verein trotz seiner Größe enger zusammen. Das muss sich aber jedes Jahr neu erkämpft werden.

Thomas Zirkel: Dann wünschen wir dafür weiterhin alles Gute und bedanken uns herzlich für die Zeit und dieses Gespräch!

Lutz Grau: Bei all unseren Aktivitäten hat uns der LSB schon immer toll und vielseitig unterstützt. Dafür danken wir Ihnen!

Oliver Grau ist seit 2019 Vorstand des SSV Saalfeld und übernahm den Posten von seinem Vater Lutz.

Aufgrund der Corona-Pandemie fand das Gespräch mit dem SSV Saalfeld über die Situation an der Basis per Webkonferenz statt.


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